„The Roaring Sixties“, wer kennt sie nicht? Explodierende Lebensfreude nach dem überstandenen Kriegschaos. Verrauchte Höhlen, Jazzclubs, Rock`n Roll Exzesse.
Am Anfang der Geschichte steht der 14jährige Uwe Timm, der nach dem Willen seines Vaters eine Kürschnerlehre beginnen soll. Ganz nach dem Motto des Vaters: lieber ein guter Volksschüler als ein gescheiterter Gymnasiast. Eigentlich wäre Uwe lieber aufs Gymnasium gegangen, aber Vater Timm will, dass sein einzig überlebender Sohn was „ordentliches“ lernt (vielleicht weil er seinem Sohn die Schmach des Scheitern ersparen will?).
Und so steht Uwe – geschniegelt und gestriegelt in seinem Konfirmationsanzug – angetreten zur „Fleischbeschau“ in dem Büro seines künftigen Lehrherren, bis dieser durch beiläufiges Knurren kundtut „es mal mit dem Bengel“ zu probieren. Diese Lehre wird ein interessant bis merkwürdiges Kaleidoskop, durch die Wirrungen der 50er Jahre. Hierarchien, Benimm-Regeln, Arbeitsdisziplin und ein klar getakteter Arbeitsalltag bestimmen ab jetzt Uwes Leben.
Aber die Wochenenden: Ausflüge in fremde Welten, die ihn sein enges wie ein Korsett der Trauer (durch „Heldentod des älteren Bruders) anliegendes Elternhaus vergessen lassen.
Der Erzählstil Uwe Timms nimmt, reißt einen mit – wie im Zeitraffer wird eine alte verknöcherte Gesellschaft – die noch junge, vom Adenauer-Mief durchzogene Gesellschaft geschildert. Die wachen Augen des noch Jugendlichen saugen förmlich alle Anregungen, Ideen und Verrücktheiten auf, auch deren Widersprüchlichkeiten: wie den Anfang Dreißig Jahre alten ehemaligen U-Boot Kommandanten, der sich vom „Junggesellen“ Timm fachlich unterweisen lassen muss.
Alles in allem ein gelungenes Porträt der noch jungen Bundesrepublik, mit ihren vielen Widersprüchlichkeiten, aber auch mit dem enormen Potential.
Eine Empfehlung von Hans-Günter Draht (23.05.2024)
Uwe Timm – Alle meine Geister
Kiepenheuer & Witsch – 25,00€
978-3-462-00549-3
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